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South China Sea mit Taboo III & Wolfgang Hausner

Vorgeschichte
Anreise
Sutera Harbor nach Mantanai Islands
Kreuz und quer von Mantanani Islands nach Balambagan
Auf zu den Philippinen!
Balabac nach Captain Royal Shoal
Navigationsspielchen
Northeast-Investigator Shoal über Half-Moon Shoal, 1st Thomas Shoal und Alicia Annie Reef nach Commodore Reef
Taboo III, die schwimmende Reparaturwerkstatt
2 unterschiedliche Besuche

Vorgeschichte (zwei Taucher wollen Segeln lernen …)

Wir waren immer schon begeisterte Taucher. Wir, das sind Anna Daliposka und Christoph Ebner aus Innsbruck, Österreich. Nach einigen Reisen in die interessantesten Tauchgebiete der Welt sollte es auch in diesem Jahr wieder in ein möglichst tropisches, mit easy-going people versehenes Land gehen, das zudem noch ausgezeichnete Tauchgebiete aufweist. Nach diversen Abenden vor dem Atlas und einigen Stunden im Internet war immer noch kein Ziel klar festgelegt.

Weil in den letzten beiden Jahren jedoch auch der Wunsch immer stärker geworden war, einmal einen Segeltörn durchzuführen, stand plötzlich die Idee im Raum, Segeln mit Tauchen zu kombinieren. Viele (Fahrten-)Segler werden jetzt müde lächeln – uns fiel es wie Schuppen von den Augen. Noch einmal ging es auf die Suche in bereits vorhandener Segelliteratur, und schließlich fiel uns das oftmals gelesene Buch „Taboo – Eines Mannes Freiheit“ des Segelabenteurers Wolfgang Hausner wieder in die Hände. Die darauf folgende Suche im Internet förderte schnell seine Homepage (www.wolfgang-hausner.com) zu Tage und – Bingo!, er bietet auch Segelcharter auf seiner Taboo III an. Ein paar Seiten weiter, und wir können uns vor Aufregung nicht mehr halten: er offeriert doch tatsächlich einen Segeltörn in Südchinesische Meer, und zwar im April/Mail 2004! Zudem soll der Fokus nicht wie bei seinen anderen Trips hauptsächlich auf der Segelei, dem „Buchteln“ und allgemein easy living liegen, sondern eben dem Tauchen an unbekannten Riffen. Und zwar was für welchen: das Zielgebiet 8-10°N und 115-117°E liegt knapp abseits der so genannten Spratley-Islands, die in der Vergangenheit hauptsächlich durch 2 Umstände bekannt geworden sind: vermutete Ölfelder und dementsprechende Besitzstreitigkeiten. Das besonders interessante an der Region ist, dass hier weder kommerzielle Tauchunternehmungen durchgeführt werden, noch reger Schiffverkehr herrscht. Wir erwarteten also Segeln und Tauchen an unberührten Korallenriffen im tropischen Meer und entspanntes Reisen mit einer im deutsprachigem Raum berühmten Segellegende.

Anreise

Nach einigen Monaten des regen Austausches per Email und ein paar Telefonaten mit Wolfgang sind alle Vorbereitungen erledigt, die Flüge gebucht und die Vorfreude entsprechend gestiegen. Anna und ich haben vor der Abreise noch einen vollen Arbeitstag zu erledigen und steigen Mitte April an einem Mittwoch Abend ins Flugzeug. Die Anreise führt uns von Innsbruck aus über Frankfurt und Bangkok nach Kuala Lumpur. Weiter geht es mit Malaysia Airways nach Kota Kinabalu, Sabah auf der Insel Borneo. Nach insgesamt 24 Stunden Flugzeug sind wir froh, als Wolfgang zu mitternächtlicher Stunde am Ausgang steht und uns mit 70 kg (Tauch-)Gepäck in Empfang nimmt. Eine kurze Fahrt zur Marina im Sutera Harbor folgt, und schließlich stehen wir vor unserem Domizil für die nächsten 3 Wochen: Taboo III. Der 18m lange, etwa 10m breite Katamaran wurde von Wolfgang und seiner Frau Gerti in 2-jähriger Arbeit auf den Philippinen gebaut und hatte seinen Stapellauf im Dezember 1979. Die Rümpfe sowie das gesamte Deck bestehen aus Marinesperrholz, und für die Takelage wurde ein Kutter-Rigg gewählt.

Nach kurzer Einweisung fährt Wolfgang mit dem Versprechen auf morgendliches Frühstück an Bord wieder zu seiner Wohnung und wir sind für die Nacht uns überlassen. Die Marina im Sutera Harbor ist erst kürzlich fertiggestellt worden; dementsprechend neu und ansprechend sind die Einrichtungen. Wir können die Schwimmbäder und Duschen des angrenzenden Hotels benutzen. Welch ein Genuss, nach der langen Anreise um 2 Uhr in der Früh allein in einem swimming-pool plantschen zu können! Zu guter Letzt sinken wir um 3 Uhr morgens ins Doppelbett der Vorderkabine im Backbordrumpf.

Sutera Harbor nach Mantanani Island

Am nächsten Morgen taucht die ganze Hausner-Familie am Boot auf und bringt die letzten Essensvorräte an Bord. Wir sehen die 3 über den Steg zum Boot marschieren, während wir noch am Pool liegen. Gemeinsam frühstücken wir und lernen uns ein wenig kennen. Wir waren schon vorab informiert worden, dass Wolfgang’s Ehefrau Gerti und die Tochter Vaitea den Törn nicht mitmachen würden, da Vaitea im Lernstress steht und noch einiges zu büffeln hatte. Insofern bleibt nicht viel Zeit, die jeweiligen Lebens- und Berufsumstände auszutauschen. Im weiteren Verlauf des Vormittags steigt die Temperatur an Deck trotz Sonnensegels stark an, und das Ablegen wird in Angriff genommen. Gerti und Vaitea Hausner gehen von Bord, einer langen Zeit der Abwesenheit des Ehemannes und Vaters entgegenblickend. Wir 3 Glücklichen an Bord werfen die Leinen los, und Wolfgang legt den Retourgang ein. Langsam kommt das 12 Tonnen schwere Schiff in Bewegung. Taboo III besitzt einen Mittelmotor, sodass nach 2 Mal Zurück- und Vorausfahrt der Bug Richtung Meer zeigt. Da der Kühlschrank und die kleine Gefriertruhe sowieso täglich nachgekühlt werden müssen, motoren wir die erste Stunde in Richtung Nordwest an der vor Kota Kinabalu gelegenen Insel Gaya vorbei. Die Sonne ist inzwischen noch höher gestiegen und brennt umbarmherzig auf uns nieder. Ich verwende eine Baseballcap als Sonnenschutz, das wegen des vorderlichen Windes allerdings die Tendenz hat, sich über Bord zu begeben. Unser Skipper fackelt aber nicht lange und fertigt für mich jeweils links und rechts neben dem Schild eine Öse an, ich ziehe eine Schnur unter dem Kinn durch und die Sache ist erledigt.

Für uns als Segelneulinge ist das alles sehr aufregend, speziell als Wolfgang ankündigt, dass es jetzt Zeit sei, Segel zu setzen. Wir setzen Gross und Genua und schalten die Maschine aus. Ruhig zieht Taboo ihre Bahn durch die Südchinesische See, die nur leicht gekräuselt ist. Mit der Zeit verschwindet die Marina aus unseren Augen, und mit ihr auch die daheim angesammelten Sorgen, der Stress in der Arbeit und unsere Alltagsprobleme. Langsam zieht das hügelige Grün von Gaya an uns vorbei. Das Boot macht nur 2-3 Knoten Fahrt, weil wir auf der Leeseite der Insel unterwegs sind. Leider bessert sich die Situation auch nicht wesentlich nach der Umrundung der Westspitze, weil die vorherrschende Windrichtung um diese Jahreszeit NE ist und genau dort unser Tagesziel liegt. Auch im Laufe des Tages und der folgenden Nacht werden uns nur relativ flaue Winde zuteil. In der Dunkelheit werden wir ständig vom Schein der weit draußen liegenden Gasfackeln begleitet, die eine Begleiterscheinung der intensiven Ölförderung darstellen, der Malaysia einen wichtigen Teil seiner Einkünfte verdankt.

Der Skipper stellt am Radar den Alarmradius und am Ruder den Autopiloten ein. Wolfgang und ich befinden uns die Nacht über meistens an Deck und genießen die Überfahrt. Überhaupt scheint er einen 7. Sinn für sein Schiff zu haben, da er bei der geringsten Winddrehung oder sonstigen Veränderung aus seiner Kabine im Steuerbordrumpf hervorkommt und die Lage peilt.

Im Morgengrauen des nächsten Tages kommen die insgesamt etwa 45 Meilen entfernten Mantanani-Inseln (6°42,5N, 116°20,0E) über den Horizont herauf, und nach 2 weiteren Stunden liegt der Anker knapp vor Mantanani Kecil im Wasser. Die Inseln bestehen aus 2 mit urwüchsigem Wald bedeckten Korallenfelsen, deren Ränder von malerischen Buchten umsäumt sind. Vom Ufer her ertönen diverse Geräusche des tropischen Urwaldes, und Anna’s und mein Blick treffen sich in der Gewissheit, die richtige Entscheidung für diesen Urlaub getroffen zu haben. Nach dem Frühstück gehen wir den ersten Tauchgang des Tages an. Die Sicht ist wegen des hohen Planktonanteils relativ mager, dafür werden wir mit einem sehr schönen Korallenhang belohnt. Die Sichtung von 2 Blaupunktrochen und die Vielfalt einer tropischen Meeresfauna sind die Ausbeute dieses Ausfluges. Für den Nachmittag haben wir uns dann ein weiteres Highlight vorgenommen: vor den Inseln soll es das riesige Wrack eines japanischen Schiffes aus dem 2. Weltkrieg geben, das damals von einem amerikanischen Kriegschiff versenkt wurde und nun in etwa 40m Tiefe liegt. Leider liegen uns nur relativ ungenaue Positionsangaben vor, und die vermeintlich immer vorhandenen lokalen Fischerboote über dem Wrack sind auch nicht sichtbar. Vielleicht hat man auch in der malayischen Fischerei inzwischen die 40-Stundenwoche eingeführt ….

Trotz der grossen Versuchung beschließen wir, das Wrack Wrack sein zu lassen und am nächsten Tag weiterzusegeln. Die so gewonnenen Stunden nutzen wir zu einem Ausflug in eine der vielen Buchten der Inseln, deren Strände golden herüberleuchten und das Auge des wintergeschädigten Europäers zum Glänzen bringen. Leise raschelnd bewegen sich die sattgrünen Wedel der Kokospalmen im Wind, und der Blick zurück zur im grünblauen Wasser liegenden Taboo lässt ein wunderbares Gefühl aufkommen. Wir spazieren am Strand umher, lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen, versuchen uns an den Kokospalmen (leider viel zu hoch …), und sind ansonsten die glücklichsten Menschen der Welt. Zwischenzeitlich interessiert sich auch die malaysische Polizei für uns – ein Speedboad rast auf Taboo III zu und die Crew steigt über. Die Jungs sind äusserst freundlich und zuvorkommend und nach der Übergabe der Crewliste und ein paar Fotos zischen sie wieder ab.

Im Lichte der untergehenden Sonne nehmen wir unseren ersten Sundowner ein und lassen uns später von Wolfgang mit einem ausgezeichneten Mahl (Wahoo an Basmatireis mit gemischtem Salat) verwöhnen.

Nach einer lauschigen Nacht mit kühlender Seebrise (auch in der Nacht fällt das Thermometer nie unter 29°) und dem obligatorischen Frühstück aus Bananen, Papayas, selbstgemachtem Joghurt, Kaffee und Tee legen wir zu unserem nächsten Schlag ab.

Kreuz und quer von Mantanani Islands nach Balambagan

Da der Wind immer mehr auf Nord dreht, entscheiden wir uns, anstatt weiter nach Norden gleich in Richtung offenes Meer zu segeln und Kurs auf die Investigator Shoal (8°07N 114°40E) zu nehmen. Dort würde uns ein Hochseeriff erwarten, das eine Lagune umschließt. Nach etwa 2 Stunden allerdings bläst uns der Wind direkt auf die Nase, und wir haben keine Lust, gegenan zu kreuzen – von Norden kommend würde später die Anreise wesentlich angenehmer sein. Wir gehen also auf den anderen Schlag und nehmen ein neues Ziel ins Visier: die Insel Balambagan, die noch auf malaysischem Hoheitsgebiet liegt und die Grenze zur Balabac Strait bildet. Direkt vor Balambagan liegt noch das kleine Inselchen Kalutan, das laut Wolfgang wunderschön sein soll und malerische Buchten mit schroffen Felsen verknüpft.

In unserem Reisegebiet liegen die Ölplattformen von Sabah, der 3. Provinz Malaysias, die neben Brunei am Nordost-Zipfel von Borneo liegt. Immer wieder queren Öltanker oder Fischerboote unsere Route, sodass uns vom Segelstandpunkt her nicht langweilig wird. Das Wetter ist ideal, leichter Wind mit 10-12 Knoten und kaum bewegtem Meer. Wir cruisen, lassen den Autopiloten den Kurs halten und genießen den Törn. Da die Ankunft in der Nacht erfolgen würde und einige nicht verzeichnete Felsen vorgelagert sind, lassen wir Taboo ein paar Mal vor der Insel auf- und ablaufen und legen schließlich am Morgen des nächsten Tages an.

Das Tagesprogramm bestreiten wir wie üblich: Tauchen, Essen, Faulenzen, am Abend Kartenspielen – schöner könnte die Welt nicht sein. Wir bleiben zwei Tage, unter anderem auch deswegen, weil es in der Nähe einen Hügel gibt, der im Gegensatz zur Umgebung nur mit kniehohem Gras bewachsen ist. Wolfgang sagt, dass er schon mehrmals auf dessen Spitze gestanden sei und man einen wunderschönen Ausblick habe. Wir beschließen, am Abend des ersten Tages die kurze Wanderung zu unternehmen. Allerdings sind wir mit der Taucherei relativ spät dran, sodass sich das leider nicht mehr ausgeht und wir den Sonnenuntergang vom Schiff aus genießen.

Wir verlegen am nächsten Tag zu einem anderen Tauchplatz, der auf der Karte recht viel versprechend aussieht. Tatsächlich tauchen wir in eine wunderschöne Korallenwelt ein, Fische schwimmen in diesem Naturaquarium und auch die eine oder andere Aufregung fehlt nicht: wir sehen eine schwarz-weiss gestreifte, etwa 80 cm lange Wasserschlange auf ihrer Suche nach Futter. Immer wieder steckt sie ihren Kopf in eine Spalte im Riff, bewegt sich ein paar Meter weiter und lässt sich von uns keineswegs in ihrem Treiben stören. Diese Art von Schlangen ist eigentlich harmlos (wenn man zu nah herantaucht, kann es sogar vorkommen, dass sie unter das Taucherjacket kriecht, um dort vielleicht einen Leckerbissen zu erhaschen). Allerdings sollte man doch nicht zu aufdringlich werden: das Gift der Schlangen gehört zu den stärksten bekannten Giften überhaupt, sodass ein Biss in vielen Fällen zum Tod führt. Auf den Philippinen werden die Schlangen von den unerschrockenen Fischer freitauchend mit der Hand gefangen, dann in ein mitgeführtes Netz gesteckt, in dem sich schon der verknäuelte Fang des Tages befindet, und schließlich nach der Rückkehr zum Dorf an den Händler verkauft. Dieser tötet die Schlangen, trocknet sie und verschickt sie nach Hongkong und Japan, wo sie Verwendung als Nahrungmittel und Medikament finden.

Wir stellen uns die Frage, ob eine Besteigung des Hügels am Morgen des zweiten Tags in Frage käme – die Faulheit siegt jedoch, und Frühaufstehen war noch nie unser Fall. Also wird gefaulenzt, und am Nachmittag steht ein weiterer Tauchgang auf dem Programm. Diesmal wollen wir um ein kleines Inselchen herumtauchen. Die low tide nicht bedenkend tauchen wir ab und müssen nach der Hälfte des Tauchgangs feststellen, dass auf der Hinterseite der Insel das Riff sehr flach ist – wir sitzen mehr oder weniger auf dem Riffdach fest. Also wieder etwas zurück und im großen Kreis im tieferen Wasser um die Insel rum. Die Widrigkeiten haben jedoch noch kein Ende, weil zu guter Letzt noch Strömung aufkommt. Gemäß Murphy’s Law steht sie gegen uns … wir paddeln also noch gut 20 Minuten mit aller Kraft Richtung Taboo, was zu diversen missmutigen Kommentaren von Anna führt. Nachdem wir das Schiff erreicht und geentert haben und das Gerödel verrräumt ist, kehrt jedoch wieder Zufriedenheit ein und die Mühen sind vergessen. Kurz vor Sonnenuntergang verlegen wir für die Nacht in eine ruhige Bucht und entscheiden uns für einen Landgang, um die beruhigende Stimmung während der schönsten Zeit des Tages zu genießen. Rotglühend geht der Feuerball hinter Taboo unter und versinkt im Meer. Da wir doch schon recht hungrig sind, paddeln wir das Dinghy zurück zum Schiff und es wird aufgekocht. Durch seine jahrelange Erfahrung auf allen Meeren ist Wolfgang zu einem formidablen Koch geworden. Es gibt abends entweder Fisch, Schweinefleisch oder Huhn mit verschiedensten Beilagen, die von mash potatoes (Kartoffelpüree), gekochtem oder frittiertem Reis, gebratenen Kartoffeln bis hin zu ausgezeichneten Salaten reichen. Unser Plan, während der Segelreise ein wenig an Osterspeck zu verlieren, wird nicht in Erfüllung gehen …

Die Arbeit in der Pantry zur Essenszubereitung für die 3 Mahlzeiten des Tages wird ausschließlich von ihm bestritten. Wir genießen das natürlich sehr. Den Abwasch teilen wir uns allerdings auf, sodass jedenfalls für uns Gäste das Bordleben in dieser Hinsicht sehr angenehm ist.

Die Nacht verbringen wir in ziemlicher Hitze, weil die Brise vom Land recht schwach ist und kaum Kühlung zu bringen vermag. So sind wir froh, als es am nächsten Morgen zeitig los geht. Wir hatten am Abend das Schiff schon segelfertig gemacht (Abnahme des Sonnensegels etc.) und Wolfgang legt allein mit dem Vorsegel ab. Anna und ich sind um diese Zeit noch nicht wirklich munter und so sind froh, dass die morgendliche Ruhe nicht durch Motorlärm gestört wird.

Auf in die Philippinen!

Kurs Nord liegt an, und wir gleiten die Westküste von Balambagan entlang. Der Wind aus Nordost war in der Zwischenzeit etwas aufgefrischt, und Taboo macht gut 6 Knoten. Das Segeln hoch am Wind tut gut, weil einerseits die See relativ ruhig ist, und andererseits der Fahrtwind Abkühlung bringt. Etwa in der Mitte der Balabac Strait verläuft die Grenze zwischen Malaysia und den Philippinen. Obwohl die beiden Länder Nachbarn sind, könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Malaysia ist hauptsächlich moslemisch, die Philippinen aufgrund ihrer spanischen Besatzungsgeschichte großteils katholisch. Nur in den südlichen Provinzen und speziell auf der Insel Mindanao dominiert der Islam. Dieses Gebiet ist auch die Heimat der Abu Sayaff Rebellen, die es sich zum Ziel gemacht haben, Unabhängigkeit vom philippinischen Staat zu erlangen. Leider brachten es diese militärisch organisierten und auch mit Waffen aller Art recht gut ausgestatteten Banden vor einigen Jahren zu trauriger Berühmtheit, als sie die im Nordosten von Borneo liegende Taucherinsel Sipadan in einer Kommandoaktion von Booten aus überfielen, eine große Anzahl von Geiseln (unter ihnen auch einige Deutsche) in ihre Gewalt brachten und in den Dschungel von Jolo schleppten.

Im Übrigen bemüht sich die lokale Bevölkerung allerdings eher, der See auf mühsame Art und Weise ein paar Fische abzuringen. Daneben gibt es natürlich noch die omnipräsenten Kokospalmen, deren Stämme in der hiesigen Art durch Machetenhiebe mit kleinen Trittflächen versehen werden, um so den Stamm besser besteigen und die Nüsse ernten zu können. Wie heißt es doch so schön: jede Palme hat einen Besitzer!

Je näher wir an die Philippinen auf unserem knapp 40-Meilen Schlag herankommen, desto offensichtlicher wird der Wechsel von einem Land ins andere. Während in Malaysien noch von großen, einigermaßen gut ausgestatteten Fischerbooten die beschwerliche Arbeit verrichtet wird, tauchen hier zum ersten Mal die wie Spinnen auf dem Wasser sitzenden Bankas auf. Dies sind Holzboote mit Motor, die auf beiden Seiten Ausleger besitzen und so eine sehr ruhige Fahrt ermöglichen. Es gibt sie in allen möglichen und unmöglichen Größen, von der 1-Mann Banka, die kaum länger ist als der Fahrer selbst, bis hin zu großen Schiffen, die dann oft im Fährbetrieb eingesetzt werden. Speziell letztere allerdings sterben eher aus und werden zunehmend durch sehr moderne Inter-Island Catamarans ersetzt, die die Wellen zwischen den philippinischen Inseln pflügen eine gute Alternative zu Flugzeugen sind. Die Boote mittlerer Größe sind sehr oft anzutreffen. Die Fischer haben dort einfache Möglichkeiten zum Essen und Schlafen. Den meisten Platz nehmen allerdings die großen Kühlboxen für den Fang ein, der mit grob gehacktem Eis vermischt wird und so die Fahrt bis zum nächsten Landhafen übersteht. In jeder größeren philippinischen Stadt gibt es Ice-Factories, wo man das gefrorene Wasser in schweren Blöcken kaufen kann. Diese Blöcke werden dann oft mit den einheimischen Mini-Bussen, den so genannten Jeepneys an ihren Bestimmungsort transportiert (neben Menschen, Hühnern und auf dem Rücken aufgehängten, lebenden Schweinen …).

Aufgrund der raschen Fahrt haben wir schon am frühen Nachmittag die Südspitze von Balabac, Kap Melville, querab. Zuvor hatten wir noch versucht, das auf 07°47,7N und 116°55,5E liegende, 1932 gesunkene Wrack der japanische Kawa Maru zu entdecken, um dort eventuell einen Tauchgang zu machen. Obwohl Wolfgang mit affenartiger Geschwindigkeit zur Saling hinaufgeturnt war und Ausguck hielt, konnten wir das Schiff nicht ausmachen und mussten abdrehen. Wir segeln also noch ein bisschen weiter, um einen guten Platz für die Nacht zu finden. Die Westseite von Balabac ist mit Riffen nur so übersät. Wir lassen schließlich den Anker in Respektabstand von der wildschönen Szenerie Balabacs fallen und springen nach dem Aufklarieren des Decks in grünblaue Wasser, um den schönen Segeltag beschaulich ausklingen zu lassen. Es ist bereits später Nachmittag geworden, und die Brise aus Nordost lässt schön langsam nach, um in die Ruhe der Nacht überzugehen. Heute gibt es wie am ersten Tag Wahoo, einen sehr wohlschmeckenden Speisefisch, der von allen mit Heißhunger vertilgt wird. Während des Abendessens landet plötzlich eine Heuschrecke auf unserem Tisch, und wir bringen es nicht übers Herz, das kleine Lebewesen bei Dunkelheit über Bord gehen zu lassen. So setzen wir das Insekt mit einem übergestülpten Glas fest, um es am nächsten Tag bei besserer Orientierung wieder freizugeben. Nach einer Runde Kartenspiel greife ich wieder in die Tasten, um den während des Törns begonnen Bericht fortzuführen. Um 22:30 ist sowohl bei mir als auch beim Computer der Saft aus und ich sinke in den wohlverdienten Schlaf.

Da es hier im Süden der Philippinen so schön ist, beschließen wir, noch einen weiteren Tag zu verbringen. Wir suchen uns einen Tauchspot etwas weiter draußen und motoren schon um 7 Uhr los, um noch vor dem Frühstück ein bisschen Unterwasserwelt erleben zu können. Am Ziel angekommen, mache ich einen Check mit Flossen und Maske und muss zu meiner Enttäuschung feststellen, dass die Untiefe in freien Wasser wohl wie erhofft gute Sicht aufweist, ansonsten allerdings im Flachwasser bis 15 Meter nur sehr wenig Korallenbewuchs aufweist. Im tieferen Bereich an den sanft abfallenden Rändern sieht es besser aus, allerdings zieht eine Strömung ganz ordentlich ins offene Wasser, und den Stress mit dem Dinghy wollen wir uns jetzt nicht antun. Es ist um einiges bequemer, direkt von der Achterplattform von Taboo III aus zu tauchen, und nicht die ganze Ausrüstung zuerst ins betagte Beiboot zu wuchten, um dann an besserer Einstiegsstelle ins Wasser zu springen. Egal, wir ziehen uns mit geringer Erwartungshaltung an und sind 5 Minuten später im Wasser. Die Sicht ist tatsächlich grandios, und näher an den Korallenstöcken sieht dann die Szenerie doch ein bisschen besser aus als ursprünglich eingeschätzt. Knapp neben dem Anker sehe ich etwas weiches, graues aus einer Spalte herauslugen. Meine Vermutung bestätigt sich: ein junger Weissspitzenhai von etwa 1 Meter Länge hat sich hier zur Siesta nach der nächtlichen Futtersuche hingelegt. Offenbar war im schon das zweifellos stattgefundene Rumpeln des 25 kg schweren Ankers ziemlich egal, und so ignoriert er Anna und mich gleichfalls. Wir sehen dann im weiteren Verlauf des Tauchgangs noch mehrere Barrakudas sowie große Langusten, und zusammen mit den üblichen Rifffischen wird es dann doch noch ein recht schöner Tauchgang.

Oben auf dem Schiff war Wolfgang in der Zwischenzeit auch nicht untätig und hat das Frühstück vorbereitet. Diesmal gibt es auch noch einen Mix aus Papaya- und Bananen-Milkshake – äußerst lecker! Im Laufe des Tages zuckeln wir dann weiter Richtung Norden, und müssen einige Kreuzschläge in Richtung Nordosten machen, um unseren nächsten Ankerplatz im Süden von Paz Island zu erreichen (08°04,69N 116°58,95E). Der Anker schliert anfangs ein wenig, und nur das Ausbringen eines zweiten Geschirrs kann die unfreiwillige Wanderung von Taboo stoppen. Hier passiert mir auch ein typisches Anfängermissgeschick (nicht das es das erste auf diesem Törn gewesen wäre …) – ich klinke das Großfall aus, während ich auf den Mastwinschen stehe, und es entgleitet mir im nächsten Moment aus der Hand. Durch den Wind beschleunigt, schwingt es im eleganten Bogen nach Achtern und wickelt sich um das Achterstag. Schöne Bescherung. Ein paar Mal Rütteln am Draht und ein gekonnter Schwung mit dem Bootshaken bringen das Teil allerdings wieder unter Kontrolle, und Sekunden später ist es an seinem vorgesehenen Platz eingepickt.

Trotz der unnatürlich schönen Umgebung sehen Anna davon ab, Schnorcheln zu gehen, weil der Untergrund fast nur aus Sand besteht. Es wird also Siesta gehalten, und später am Abend wollen wir das nahe gelegene Fischerdorf aufsuchen. Wir lassen dann ca. um 17 Uhr das Dinghy zu Wasser, nehmen unsere Utensilien an Bord, der Außenborder wird montiert und los geht’s. Nach kurzer Fahrt, in der zahlreiche Korallenbrocken umfahren werden wollen, gehen wir an Land. Der Marsch durch die verbleibende Seegraswiese erweist sich ein bisschen als Spießrutenlauf, weil weniger die überall herumliegenden Seesterne eine Gefahr für unsere Füße darstellen, wohl aber die nicht so gut sichtbaren Seeigel. Eine Verletzung durch einen dieser leicht brechenden Stachel ist das letzte, was wir jetzt brauchen könnten. Wir kommen letztendlich gut durch und steigen auf die vorgelagerten Felsen. Diese haben eine sehr interessante Form – fast sieht es so aus, als hätten die Dorfbewohner ein mehr oder weniger waagrechte Bahn zum Slippen ihrer Boote herausgearbeitet. Dieser Gedanke wird jedoch rasch wieder verworfen, weil die Motivation für eine derartige Riesenarbeit nicht gegeben ist – die Boote lassen sich auf der anderen, mit einem steileren Ufer versehenen Seite der Felsen wesentlich besser zu Wasser lassen bzw. an den Strand ziehen. Nichtsdestotrotz ist es ein interessanter Anblick – Erik von Däniken hätte bestimmt seine Freude daran.

Unser kurzer Trip von Taboo III zum Ufer war den Menschen im Dorf natürlich nicht verborgen geblieben, und so stellen sich nunmehr die ersten Zaungäste ein. Ich marschiere unbekümmert auf sie zu, und werde recht freundlich empfangen. Leider spreche in so gut wie gar kein Tagalog, der Hauptdialekt der Philippinen (es gibt noch einige weitere), und die Leute vor mir kein Wort Englisch. Mit Hand und Fuß können wir aber die Vorstellung problemlos über die Bühne bringen, und als Anna schließlich den Kindern noch ein paar der mitgebrachten Maoam’s überreicht, ist der Bann gebrochen. Wir gehen die paar Meter weiter zu den ersten Hütten, und werden von der in der Zwischenzeit zu einer Prozession angewachsenen Dorfgemeinde begleitet. Hier treffen wir die ersten Frauen. Manche von Ihnen haben ihre Kleinsten im Arm, und alle begrüßen uns mit einem freundlichen Lachen. Auch hier kaum englische Sprachkenntnisse. Wir fragen nach dem Barangay Captain, dem lokalen Bürgermeister, da er wahrscheinlich ein bisschen Englisch beherrscht. Er wohnt jedoch zu weit weg, und so begnügen sich beide Seiten mit den paar Brocken Sprache und natürlich heftigen und unter großem Lachen ausgetauschten Körperverrenkungen.

Wir können zusehen, wie einer der Fischer seinen Fang bearbeitet. Er hatte vor unserer Ankunft den großen Zackenbarsch schon zerlegt, und zerhackt gerade den Kopf in handlichere Stücke. Der Anblick ist alles andere als delikat, weil die Arbeit auf einer am Boden liegenden Plastikplane ausgeführt wird, und jede Menge Fliegen auch schon die Beute gerochen haben. Der Geruch tut das Seinige dazu. Ich hatte vor einigen Jahren schon die Gelegenheit, insgesamt 3 Monate auf den Philippinen zu verbringen, und bin trotzdem immer wieder beeindruckt, unter welch einfachen Mitteln die Filipinos, wie sie sich selber nennen, speziell in abgelegenen Regionen zurecht kommen müssen. Wir gehen weiter und treffen auf eine Hütte, in der gerade ein paar Runden Karten gespielt werden. Ein paar Palmen weiter landeinwärts schließlich empfängt uns eine Frau, deren Englisch ganz ausgezeichnet ist. Sie erklärt uns, dass im Dorf mehr als Hundert Erwachsene mit Ihren Kindern zusammenleben, und den Lebensunterhalt hauptsächlich von Fischfang und dem Anbau von Kokosnüssen bestreiten. Die Nüssen werden letztendlich zu Kopra verarbeitet, das in andere Teile der Philippinen verkauft wird.

Auf den Hütten kleben noch die Portraits der Kandidaten der letzten Bürgermeisterwahl – die Politik findet wohl auch den Weg ins letzte Dorf am Ende der über 7000 Inseln zählenden philippinischen Welt. Wir gehen noch ein bisschen weiter am Strand und werden von den unvermeidlichen Hunden begleitet, und kommen dann noch zu einer Hühnerfamilie, die sich ihr Futter im ebbnassen Strand sucht. Diese wäre weiter nicht erwähnenswert, wenn es nicht speziell mit den Hähnen eine besondere Bewandtnis hätte. Die Philippinen sind das Land der Hahnenkämpfe, und überall werden die Gockel von ihren Besitzern auf der einen Seite gehegt und gepflegt, gestreichelt und gebürstet, aber auf der anderen Seite nach grausamen Regeln in den Kampf gehetzt. Die Beine der Kontrahenten werden mit rasiermesserscharfen Klingen ausgerüstet, und endet die unter heftigem Kreischen und wildem Flattern ausgetragene Auseinandersetzung für den Verlierer oft tödlich. Dabei geht es nicht selten um große Mengen Geld. Buchmacher nehmen wie bei Pferderennen Wetten entgegen und die glücklichen Gewinner dürfen sich über ein paar Hunderttausend Pesos freuen (1 EUR = 60 Pesos), während die Verlierer manchmal sogar Haus und Hof verspielen.

Es ist knapp vor Sonnenuntergang, und wir möchten nicht in der Dunkelheit zum Schiff zurückfahren müssen – die Zeit der Dämmerung verdient in diesen Breiten ihren Namen nicht und dauert nur knapp 15 Minuten. Beim Schiff angekommen, kippen wir noch rasch einen After-Sun-Downer. Morgen werden wir endlich auf den unberührten Riffe eintreffen!

 

Balabac – Royal Captain Shoal

Wir beschließen, noch am gleichen Tag gleich nach dem Abendessen loszusegeln. Es sind etwa 60 Meilen bis zur Royal Captain Shoal, einem 2.5 Meilen langen und 1 Meilen breiten Riffgebilde, das bei Flut nicht über die Meeresoberfläche ragt (9°01N 116°40E). Bei Ebbe sind ein paar Felsen sichtbar, die bei unserer geplanten Ankunftszeit das Navigieren erleichtern sollten. Leider wird daraus nichts. Nachdem wir um die Riffkante vor Paz Island/Balabac gerundet haben, flaut der Wind ab. Das Resultat sind magere 2 Knoten Fahrt während der Nacht. Wir entscheiden uns am Morgen, den Rest der Strecke von etwa 15 Meilen zu motoren, um noch in den Genuss von Tauchgängen zu kommen. Bei der Annäherung stellen wir fest, dass ein Motorschiff an der südlichen Riffkante festgemacht hat. Wir tasten uns an das Riff heran, und sehen dann aus einiger Entfernung, dass das Riffdach sicher 500 Meter breit ist, und die voll umschlossene Lagune mehr als 20 m tief ist – dunkelblaues Wasser mit türkisem Rand zu Riffdach hin. Wir fahren eine Zeit lang an der Riffkante entlang und müssen feststellen, dass das Ankermanöver anspruchsvoll zu werden verspricht. Das Riff kommt aus den umliegenden Tiefen von mehr als 1500 Meter senkrecht empor, und es zeigt einen ziemlich plötzlichen Übergang von Steilwand zu Riffdach. Wir fahren also in Minimaltempo im 90°- Winkel darauf zu und lassen den Anker fallen, während wir gleichzeitig schon wieder rückwärts motoren. Wie sich später herausstellt, kommt der Anker auf etwa 5 Meter Tiefe zu liegen, während das am Heck angebrachte Echolot eine Tiefe von über 70 Meter misst! Ein zweiter, senkrecht nach unten in 20 m Tiefe gelassener Bruce-Anker soll in verhindern, dass wir bei nächtlichem Wechsel der Windrichtung voll auf das Riff getrieben werden. Wohl ist uns allen nicht dabei, aber vorderhand kommt der Wind ja noch aus Richtung Riff.

Anna und ich machen den ersten Tauchgang im offenen Meer auf diesem Törn. Die Wand fällt ca. 60-70 Meter senkrecht ab, um dann eine kleine abfallende Stufe auszubilden, und versinkt dann weiter ins Bodenlose. Die Sicht ist mit ca. 40 Metern sehr gut. Auch über die Wassertemperatur kann nicht geklagt werden – wir sind mit unseren 5 mm dicken Neoprenanzügen bestens gerüstet. In ca. 25 Metern gibt es eine Sprungschicht, allerdings fällt die Temperatur weiter unten nicht wirklich unangenehm. An diesem ersten Offshore-Tauchgang lassen wir es bei 31 Metern Maximaltiefe bewenden und kehren nach gut 70 Minuten und der Sichtung von sehr vielen Fischwärmen, Langusten, hauptsächlich Hartkorallen wieder an die Oberfläche zurück. Obwohl uns keine Großfische über den Weg gelaufen waren, sind wir ob der guten Sicht, phänomenalen Steilwand und dem für eine Riffaußenwand relativ guten Korallenbewuchs sehr zufrieden.

Unser Ankerplatz liegt etwa eine halben Meile von dem zuvor gesichteten Fischerboot entfernt, das wir bei der Annäherung fälschlicherweise für eines der beiden auf der Karte eingezeichneten Wracks gehalten hatten (von denen wir letztendlich keines sichten konnten). Am frühen Abend kommt plötzlich Bewegung auf das Deck des etwa 20 Meter langen Kahns: 2 Männer besteigen ein abenteuerlich aussehendes „Beiboot“, und bewegen sich seltsam rudernd in unsere Richtung. Was mag dieser Besuch bedeuten? Bei uns angekommen, nehmen wir die beiden und ihr seltsames Vehikel näher unter die Lupe. Es sind zweifelsfrei asiatische Fischer und ihre „Untertasse“ aus Holzgeflecht deutet auf vietnamesische Herkunft hin. Was mögen sie soweit westlich zu tun haben? Wir lassen die Zwei, die mit einer Papierrolle bewaffnet sind, an Bord. Schnell stellt sich heraus, dass wieder Akrobatik zur Verständigung gefordert ist. Auf unser Englisch ernten wir nur verständnislose Laute in ihrer tonalen Sprache, und umgekehrt stehen wir auch etwas verdattert da. Mit der Zeit wird klar, dass sie von uns Positionen und Richtungsangaben erfragen wollen. Ihre ausgebreitet Karte ist eine schlechte Kopie einer vietnamesischen Überseglerkarte im Maßstab 1:1.500.000, und damit sind genauere Riffansteuerungen kaum möglich. Da sie mit Kompasskursen und Meilenangaben sofort klar kommen, und sich augenscheinlich eine Funkantenne auf ihrem Kajütdach befindet, scheint wohl nur ihr Kartenmaterial das Problem darzustellen. Offenbar sind sie an Riffen direkt vor der philippinischen Insel Palawan interessiert, und möchten unsere Einschätzung kennen lernen, wie weit sie sich heranwagen können, ohne gleich von der Marine Police verhaftet zu werden. Nun ist es so, dass Wolfgang in diesen Segelgebieten ja über einige Erfahrung verfügt. In malaysischen Gewässern sollte man tunlichst nicht herumkurven, ohne über die notwendige Papiere und Permits zu verfügen (wir waren ja auf den Mantananis kontrolliert worden, was zwar ein bisschen pro forma Charakter hatte, bei irgendwelchen Unregelmäßigkeiten aber sicher zu Problemen geführt hätte). Westlich von Palawan und auf den Philippinen allgemein ist die Gefahr wesentlich geringer, aufgegriffen zu werden. Wir sind zum Beispiel nicht aus Malaysia ausklariert, klarierten natürlich auch nicht in den Philippinen ein und haben trotzdem philippinisches Hoheitsgebiet durchquert und Festland betreten. Jedenfalls geben wir Ihnen ein paar Punkte an, aber so richtig glücklich scheinen sie noch nicht zu sein. Mehr Eindruck macht da unsere Digitalkamera, mit der wir eifrig Fotos schießen, ob unbeobachtet oder nicht. In letzterem Falle stehen die beiden wie Zinnsoldaten da und blicken ernsthaft ins Objektiv. Der eigentliche Spaß ist jedoch, Ihnen die gerade erstellten Photos am Display zu zeigen – sie kriegen sich kaum ein vor Lachen und schnattern fröhlich drauf los. Nach einigem Hin- und Her gelingt es uns dann, etwas zu bekommen, das wir für eine Adresse halten, und versprechen ihnen, Fotoabzüge dorthin zu schicken. Nach der Verabschiedungszeremonie wackeln die beiden in Ihrer Untertasse wieder rüber zu Ihrem Schiff, das inzwischen auf 20 Meter Abstand herangekommen ist, um Ihrem Captain die Überfahrt zu erleichtern. Nachdem sie das Gefährt geentert haben, verlegen sie wieder an Ihren ursprünglichen Ankerplatz, um Ihrer nächtlichen Arbeit nachzugehen.

Am nächsten Morgen weckt mich Anna kurz nach Sonnenuntergang auf und flüstert mir zu, das unsere neuen Freunde ihr Schiff wieder knapp an unsere Yacht herangebracht haben. Ich springe auf und strecke den Kopf raus und sehe, dass bereits eine Viererdelegation im Begriff ist, an Bord zu klettern! Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch springe ich nach Achtern. Der Captain von gestern ist wieder dabei plus drei seiner Fischerleute. Einer hat wieder die Karte mit. Ich mutmaße, dass es nochmals um Navigation geht, und weil ich keine Waffen sehen kann, lasse ich sie an Bord. Ich bedeute Ihnen jedoch, dass nur 2 Personen auf einmal kommen sollen, was die beiden in dem Korb verbliebenen mit Bedauern akzeptieren. Ich wecke Wolfgang, der noch etwas schlaftrunken den Niedergang heraufkrabbelt, und nach ein paar Orientierungssekunden und meinem Update wieder seine Karten hervorholt. Also geht das Spielchen von gestern noch mal los, nur sind sie diesmal zusätzlich noch mit Notizblock und Kugelschreiber ausgerüstet. Inzwischen hat der vietnamesische Skipper das Ruder übernommen um entnimmt fleißig Positionen an der philippinischen 200m – Linie sowie deren Kurse von einem der Riffe im Südchinesischen Meer aus der Karte. So geht das eine Weile, und nachdem er wohl zufrieden ist, ziehen sie wieder von dannen. Kaum an ihrem Kahn angekommen, greift der Kapitän in eine Kiste und übererreicht uns als Dank ein Tritonshorn! Von so viel Freundlichkeit ermutigt, reitet mich der Teufel und ich frage mit den üblichen Verrenkungen an, ob ich wohl zu ihnen an Bord kommen würde. Nach einigen verständnisfreien Momenten zücke ich die Kamera und deute nochmals auf ihr Schiff. Sie verstehen schließlich, und unter Gefeixe und Gelache entere ich die leckende Schüssel und werde rübergerudert. Ein kleiner Sprung und ich stehe an Bord von Q.NG 5607 TS, wie auf der Vorderseite der Kajüte zu lesen steht. Ich schaue mich an Deck ein bisschen um und zähle 10 Fischer im Alter zwischen 25 und etwa 40. In der Holzkiste haben sie etwa 8 Tritonshörner gelagert, die bereits sauber geputzt ihrem Verkauf entgegensehen – der Artenschutz hat es bis hierher noch nicht geschafft – gleich daneben liegt eine Wasserschildkröte auf ihrem Rücken, und da kein sonderlicher Geruch von ihr ausgeht, nehme ich an, dass sie noch lebt. Vor der Kajüte, die mit Treibstoff- und Wasserfässern voll gestellt ist, lagert die Tauchausrüstung: große Rollen von etwa 10 mm durchmessendem Schlauch, den sie auf der einen Seite an einen Kompressor anschließen und auf der anderen Seite einfach in den Mund stecken. Der Schlauch ist mit Bleistücken und Fischerleine belegt, sodass sie ihn um ihren Leib binden können. Als Verschluss dient ein rostiger Nagel, der durch eine Schlinge gesteckt wird – hält bombensicher! Weiters gibt es schwarze Plastikflossen und Tauchermasken aus Gummi. Die Fischjagd selbst wird mit Harpunen aus rostigem Eisen vollführt, allerdings gibt es keinerlei Abschussvorrichtung, sondern der Fischer selbst stößt den Spieß in den Körper seiner Beute. Komplettiert wird das Ganze durch eine elektrisch betriebene Lampe, deren Birne abgedichtet in einer Rumflasche hängt und mit Strom ebenfalls vom Boot aus versorgt wird. Die Tauchgänge finden also hauptsächlich in der Nacht statt, weil viele Fische schlafend im Riff festsitzen und dann leichtere Beute sind.  So ausgerüstet, kann man ihren Gesten zufolge an die 20 Meter tief tauchen. Ich bezweifle aber sehr, ob die Jungs mit den physikalischen Auswirkungen ihrer Tauchgänge vertraut sind … bei philippinischen Fischern, die eine noch primitivere, aber im Prinzip ähnliche Ausrüstung benutzen, sind jedenfalls Fälle von Dekompressionskrankheit dokumentiert.

Fototechnisch gibt es in der Zwischenzeit kein Halten mehr: die Jungs beziehen Position für mich und ich mache ein Bild nach dem anderen. Wieder ist das Zeigen der soeben gemachten Aufnahmen auf dem Display der absolute Lacherfolg. Ich schaue mich dann noch eine Weile um, lerne jeden der wochenlang auf dem Boot ausharrenden Fischer kennen und stelle nebenbei auch fest, dass es erstaunlicherweise weit weniger stark nach Fisch riecht, als ich das ursprünglich vermutet hätte. Die Kühlung funktioniert offenbar gut – leider vergesse ich, einen Blick in die Laderäume zu werfen. Am Ende meines Besuches verspreche ich nochmals, die Bilder zu schicken, und verabschiede mich schweren Herzens von dieser unter so schwierigen Bedingungen arbeitenden, aber doch so herzlichen und freundlichen Bande.

Anderntags machen wir frühmorgens einen weiteren Tauchgang. Zuerst wuchten wir die Ausrüstung ins bereit liegende Dhingy, weil wir dieses Mal die Innenseite des einem amerikanischen Donut nicht unähnlichen Riffs erkunden wollen. Die Lagune ist zwar ausreichend tief, aber leider auch von reinem Sand bedeckt – Korallengarten Fehlanzeige. Wir drehen also wieder um, binden das Dinghy am Schiff fest und lassen uns rückwärts in die blaue See plumpsen. Dieses Mal tauchen wir die andere Seite der Riffwand entlang. Die Sicht ist am Morgen nochmals ein Stück besser, so dass wir Astronauten gleich im Raum hängen und nur unsere Luftblasen verraten, dass wir uns in einem anderen Element befinden. Die Wand fällt steil ins Bodenlose. Die Szenerie ist doppelt unwirklich, weil die Sonne noch nicht hoch genug steht und deshalb der vorherrschende Farbton Blau ist. Unter uns nur Schwarz … Anna möchte von mir wissen, ob ich tiefer tauchern möchte. Mir ist’s recht, weil die Bedingungen perfekt sind und wir sowieso schon länger nicht mehr Tiefe gemacht haben – also los und runter. Da wir beide relativ wenig Blei mit haben, dauert es eine Minute, bis wir die 50-Metergrenze durchschlagen. Ein bisschen schauen wir uns noch um, aber leider gibt es nicht viel zu sehen –die Korallen grau in grau, weil das spärliche Morgenlicht noch nicht wirklich durchdringt. Oft kann man in den frühen Morgenstunden auf dieser Tiefe und noch weiter unten Hammerhaie beobachten; auf unserem Törn hat sich allerdings noch überhaupt kein Vertreter dieser Fischart gezeigt. Wir steigen wieder etwas weiter auf und tauchen nun schon seit 20 Minuten an dem Abbruch entlang, als ich an meinem Brillenrand einen Schatten sehen kann. Ich blicke hoch und sehe – einen Mantarochen, wie er uns majestätisch dahin gleitend überholt, ca. 10 Meter über uns. Ich mache Anna auf ihn aufmerksam, und sehe an ihren großen Augen, wie sehr sie der Anblick erfreut. Ich hatte früher schon auf den Philippinen Mantas gesehen, wir beide hatten allerdings bis auf eine zugegebene sehr eindrucksvolle Begegnung mit Hunderten von Mobulas, einer relative kleinen Manta-Art, und einer sehr kurzen Sichtung auf den Malediven bisher noch nie richtig die großen Mantas eingehend beobachten können. Diesmal sollte es gelingen! Der Manta passt seine Geschwindigkeit der unseren an. Im strömungsfreien Wasser macht er keine für uns sichtbare Bewegung, während wir doch beständig die Flossen bewegen müssen. Elegant hat das Tier seine Schwingen ausgebreitet, die Flossen-Enden zeigen wie bei seinem Vetter der Lüfte nach oben. Der Rochen vor uns hat etwa eine Spannweite von ca. 4 Metern, wobei die größten gesichteten Exemplare 7 Meter erreichen! Das Ereignis ist also schon sehr beeindruckend, und wir freuen uns und grinsen uns unter Wasser immer wieder an, wobei wir immer darauf achten müssen, dass das Wasser durch die Gesichtsverzerrungen nicht zu sehr in die Maske gluckert.

Nach 5 Minuten ist das Tier immer noch schräg unter uns. Ich habe mich inzwischen auf etwa 3 Meter Distanz genähert, und kann seinen Körper genau beobachten. Plötzlich zappelt Anna und macht mich auf etwas oberhalb von mir aufmerksam: ein 2. Manta hat sich unbemerkt angeschlichen! Sofort richten wir unsere Aufmerksamkeit auf dieses Tier, das auch wesentlich agiler und neugieriger als sein Kumpel zu sein schein. Mit leichten „Flügel“schlägen überholt er uns, zieht dann direkt vor unseren Augen parallel zur Steilwand hoch und geht in einen Looping Richtung offenes Meer über. In einer Linkskurve schlägt er die Richtung ein, aus der er gekommen ist und verschwindet langsam im Blau. Sein Artgenosse hat inzwischen unbemerkt Geschwindigkeit aufgenommen und schwimmt nunmehr 10 Meter vor uns. Wir versuchen Schritt zu halten, aber natürlich gelingt uns das auf Dauer nicht, und wir müssen mit ansehen, wie auch dieses Exemplar in den Weiten des Meeres entschwindet.

Der Rest des Tauchgangs bleibt irgendwie nur dunkel in Erinnerung, so fasziniert waren wir von den vorherigen Eindrücken. Zurück an Bord plappern wir aufgeregt drauf los und erzählen Wolfgang von unserem Erlebnis. Dieses wird uns sicher auch in unseren Träumen heut’ Nacht begleiten …

Navigationsspielchen

Nach den Eindrücken dieses morgendlichen Tauchgangs sind wir bereit, die nächste Etappe unserer Hochseeriff-Schnitzeljagd im Südchinesischen Meer anzugehen. Wir wollen zur nur knapp 15 Seemeilen entfernten Northeast-Investigator Shoal segeln, die laut der philippischen Seekarte von Wolfgang etwa auf Position 9°11.8N und 116°23.7E liegt. Wir legen stellen den Autopilot auf Kurs 305° ein und gehen unseren üblichen Segeltätigkeiten nach: Schlafen, Schreiben, einfach Nichtstun. Wie angenehm ein Segeltag doch sein kann, speziell wenn man direkt aus dem Stress der alltäglichen Tretmühle zu Hause kommt…

Entgegen meiner Gewohnheit hatte ich diesmal weder auf meinem mitgebrachten Hand - GPS einen Wegpunkt eingestellt, noch auf meinem Laptop die Navigationssoftware gestartet und mit meinen elektronischen Karten herumgespielt – der Manta hatte sich scheinbar in meiner Gedankenwelt festgesetzt. Jedenfalls setze ich mich dann doch etwa eineinhalb Stunden vor der geplanten Ankunft an der Riffkante an meinen Rechner. Während er bootet, schaue ich noch schnell in die Liste der Riffe, die ich vor Abreise im Internet gefunden hatte. Diese war in der Vorbereitung von unschätzbarem Wert, weil dort für jedes Riff neben der Position aufgeführt ist, welches Land Hoheitsanspruch erhebt bzw. schon irgendwelche Befestigungen errichtet hat, ob es Felsen gibt, die aus der Meeresoberfläche je nach Tide herausschauen und so weiter. Ein kurzer Blick genügt und ich stelle fest, dass es in der Liste eine andere Position eingetragen ist, als in der Karte angegeben. Inzwischen ist mein Rechner betriebsbereit, und die elektronische Karte liefert das gleiche Ergebnis: die philippinische Karte ist schlicht und einfach falsch. Wolfgang und ich prüfen das Ganze dann noch ein bisschen, aber als wir eine halbe Stunde später schon am Riff entlang segeln, gibt es keinen Zweifel mehr. In diesen Gebieten gilt es also, Hausverstand, Vorsicht und gute Augen zusammen arbeiten zu lassen und nicht blind auf’s Kartenmaterial zu vertrauen. In der Britisch Admiralty Karte 2660 aus dem Jahre 1971 im Maßstab 1:1.155.000 ist das Riff ebenso wie in meiner elektronischen C-MAP von 2001 auf der korrekten Position 9°10.5N 116°27.8E verzeichnet. Meine Karte zeigt zusätzlich auch noch eine Untiefe auf der Position aus der philippinischen Karte, vielleicht gibt es ja dort tatsächlich etwas – wir werden es zumindest auf diesem Törn nicht erfahren.

Kurzum – wir sind erfolgreich angekommen und segeln das Riff aus Richtung Süden an, um in Lee ankern zu können. Schon aus der Entfernung können wir ein weiteres Mal ein Schiff sehen. Unsere Vermutung bestätigt sich: es sind unsere Freunde aus Vietnam, die ja mit ihrem Motorboot schon vor uns abgezuckelt waren und wahrscheinlich schon ihre Tagesarbeit erledigt hatten. Wir winken ihnen zu, und auch bei ihnen kann man die Freude des Wiedersehens an ihren Gesichtern erkennen.

Wir gehen Tauchen. Das Riff zeigt eine ähnliche Topographie wie jenes an der Royal Captain Shoal – Steilwand pur. Wo wir während hunderter Tauchgänge in früheren Zeiten eben eher mager mit Mantasichtungen beglückt wurden, werden wir diesmal vom Schicksal begünstigt. Schon wieder taucht knapp vor unserem Umkehrpunkt der schwarz-weiße Leib auf. Anna und ich grinsen uns an und freuen uns. Aber es kommt noch dicker: knapp vor Ende des Tauchgangs zieht ein wirklich großes Exemplar unter dem Schiff durch, und kaum als dieser außer Sichtweite ist und wir die restlichen Meter zum Schiff hoch schwimmen wollen, sehe ich etwas Größeres am der Riffwand. Also ein schneller Blick auf das Finimeter: es ist noch genug Luft für einen Mini-Abstecher da, und wir paddeln los. Ich glaube zuerst, einen Adlerrochen vorbeiziehen zu sehen, erkenne aber doch beim Näherkommen, dass es eine weiterer Manta ist, diesmal die Babyausgabe. Welch ein Glück! Nach unserer Rückkehr an Deck erzählt mir Anna, das sie zuerst gar nicht wusste, was ich knapp vor Ende des Tauchgangs nochmals am Riff wollte. Erst knapp vor dem kleinen Rochen konnte sie diesen erkennen und sich über den gelungenen Abschluss unseres Ausflugs in die heile Unterwasserwelt freuen.

Nach den Unwägbarkeiten der Ankerung und den vorkommenden Winddrehungen will Wolfgang diesmal nicht das Risiko eingehen und schlägt vor, die Nacht unter Vorsegel vor dem Riff kreuzend verbringen. Das tun wir dann auch, und bereuen alle unsere Entscheidung, weil Anna und ich herumgewackelt werden (es geht viel gegenan) und Wolfgang dauernd aufstechen muss, um die Segelarbeit zu leisten.

Northeast-Investigator Shoal über Half-Moon Shoal und 1st Thomas Shoal nach Alicia Annie Reef

Am Morgen sind wir alle recht müde. Nichtsdestotrotz beschließen wir, weiter zu reisen – man soll aufhören, wenn es am schönsten ist, so lautet das Sprichwort. Die 3 Mantas während eines Tauchgangs sind auch nicht so schnell zu toppen, und so brechen wir auf in Richtung Half Moon Shoal. Der Hüpfer nach 08°52.0N und 116°6.2E über 20 Meilen vor hauptsächlich achterlichem Wind bei gemütlichen 4 Knoten geht wie im Flug vorbei. Wir segeln um die Nordkante herum, und stellen schon von weitem fest, dass wir wieder Nachbarn haben werden. Eine philippinische Banca liegt vor Anker, und etwa 10, 12 Fischer sind fleißig mit ihrer Arbeit beschäftigt. Das Beiboot, die Babyausgabe des Mutterschiffes, liegt direkt vor unserem Bug im Wasser, und 2 Filippinos sind ebenfalls mit ihrem Broterwerb beschäftigt. Wir fahren knapp bei Ihnen vorbei, und prompt verfängt sich ihr Anker (eine 2 mm starke Angelleine, an der ein paar Steine hängen) an unserem Steuerbordrumpf. Ihr Schiffchen wird herumgedreht, und bevor Gröberes passieren kann, reißt die Verbindung. Lachend und das nicht ungefährliche Ereignis nicht weiter kommentierend, bleiben sie achteraus. Nach den Erfahrungen der letzten Nacht ankern wir an einer Stelle am südwestlichen Ende des Riffs, die etwas flacher ist (unser Lot am Heck zeigt 32 Meter) als bei den früheren Ankerplätzen, und haben ein gutes Gefühl, weil der Wind in einer steten Brise aus Nordost weht. In den letzten Stunden des Nachmittags nehmen Anna und ich wieder einen Tauchgang in Angriff. Offenbar auf Manta abonniert, sehen wir ein weiteres Mal den Gleiter der Meere über uns unter dem Schiff hinweg ziehen. Was für ein Glück wir in letzter Zeit doch haben! Anna und ich beglückwünschen uns mit Grinsen und Handschlag unter Wasser, und verweilen solange auf der selben Tiefe irgendwo zwischen Oberfläche und Grund, bis der Rochen aus unserem Blickfeld verschwunden ist. Dann lassen wir wieder ein bisschen Luft aus unseren Tauchjackets und sinken weiter ab. Unten angekommen, zeigt sich wenig Erbauliches. Das Riff ist wie von Riesenhand leergefegt und nur mehr ein Korallenfriedhof ist zu sehen. Wir hatten ja schon an den anderen Riffen Korallenschäden gesehen, die aller Wahrscheinlichkeit auf die erhöhten Wassertemperaturen in El Niño Jahren zurückzuführen sind. Hier allerdings hatte entweder das Wasser gekocht, oder aber etwas anderes war der Grund für die totale Zerstörung. Eigentlich kommt nur eine weitere mögliche Erklärung in Frage: ein Typhoon. Diese saisonal auftretenden Wirbelstürme können enorme Zerstörungskraft entwickeln und sind oft auch für den Verlust von Menschenleben verantwortlich, wenn ihre Windgeschwindigkeit so hoch ist, das alles in ihrer Bahn in die Luft gewirbelt wird, oder aber als Folgeereignis unter einem Tsunami (Springwelle) begraben wird. Wir setzen jedenfalls unseren Tauchgang fort, und werden interessanterweise auch noch mit dem Anblick von vielen Fischen belohnt, wie wer-weiß-wo ihr Futter herkriegen – recht mit Algen bedeckt ist der Korallenschutt unter uns nämlich auch nicht. Der Abend dieses lauen und relativ windstillen Tages wird noch durch eine Delphinschule gekrönt, deren etwa 30 Mitglieder wie im Klischee dem Sonnenuntergang entgegen schwimmen und immer wieder einen Luftsprung machen – Lebensfreude pur.

Wegen des schlechten Zustandes des Riffs wird trotz Mantabesuch beschlossen, am Morgen des nächsten Tages weiterzusegeln. Wir ziehen den Anker hoch und setzen Segel, Kurs Nordwest zur 34 Meilen entfernten 1st Thomas Shoal. Wir machen angenehme 5 Knoten und erreichen die südwestliche Spitze des ziemlich in West-Ost Richtung liegenden Riffs um etwa 14 Uhr. Wir finden guten Ankergrund, der Tauchgang dort ergibt aber keine Besonderheiten.

Unser nächstes Ziel ist das etwa 20 Seemeilen in westlicher Richtung liegende Alicia Annie Reef, an dessen südwestlicher Spitze (9°21.1N 115°.26.0E) wird den Anker werfen. Die 2 Tauchgänge dort bringen nichts Spektakuläres zu Tage; allerdings ist das Riff dort in Form einer steilen Wand ausgebildet, die sehr strukturiert ist und viele Risse aufweist. Im Tiefenbereich unter 20 Metern gibt es einen wundervollen Gorgonienwald, den wir bei unserem ersten Ausflug unter Wasser allerdings ignorieren: wir fühlen uns beide gut an diesem Morgen und wollen mal sehen, ob wir nicht mal ein bisschen Tiefe machen können. An der Stelle ist die Wand allerdings nur bis auf 35 Meter abfallend und geht dann in einen steilen Hang über – wir müssen also ein Stück weit raus Richtung Meer. Schließlich werden es dann 61.5 Meter, die unsere Tauchcomputer als maximale Tiefe angeben – persönlicher Rekord für Anna als auch mich. Dort schlägt der Tiefenrausch natürlich merkbar in Form des veränderten GEschacks der Atemluft und in langsameren Reaktionen zu, aber bei den vorherrschenden Bedingungen mit warmem Wasser, sehr guter Sicht etc. ist dies aller gut handzuhaben. Man befindet sich auch noch innerhalb der empfohlenen Grenze von 1.6 bar Sauerstoffpartialdruck, die einer Tiefe von etwa 66 Metern entspricht. Sinkt man tiefer und steigt der Druckanteil des Sauerstoffs in der Atemluft über diese Grenze, wird das sonst absolut lebensnotwendige Gas toxisch und kann zu plötzlichem reversiblen Sehstörungen und Muskelzuckungen führen, die natürlich den Taucher in seiner Sicherheit extrem gefährden. Um sicher längere Tauchgänge in diesen Tiefen durchführen zu können, wird daher im Tec-Diving Bereich ein anderes Gasgemisch (Trimix aus Sauerstoff, Stickstoff und Helium) verwendet, das sowohl die Sauerstoffgefahr bannt als auch die Auswirkungen des Tiefenrausches erheblich vermindert.

Über Mittag zwischen den Tauchgängen fahren wir mit Wolfgang über das Riffdach in die Lagune, um ein bisschen zu Schnorcheln und vielleicht die eine oder andere hübsche Muschel zu finden. Wir lassen uns von Wind und Wellen zum Schiff zurücktreiben und genießen den Ausflug sehr. Leider ist die Riffplatte wie kahl rasiert – bei einer Tiefe von nur 1 Meter auch nicht weiter verwunderlich. Die Riffwand selbst ist speziell im Flachwasserbereich auch kaum mit Korallen bewachsen, erst tiefer gibt es schöne Gorgonien und Hartkorallen zu sehen. Auch an diesem Riff haben wir Nachbarn. 2 vietnamesische Fischerboote liegen etwas abseits vor Anker, allerdings scheinen es etwas größere und besser ausgestattete Schiffe zu sein als die, die wir bisher gesehen hatten. Die Fischer sind nicht mehr auf die Tragfähigkeit ihrer Korbschüsseln angewiesen, sondern haben aus Blech zusammengenietete Boote mit etwa 5 Meter Länge, in denen bis zu 6 Männer mitsamt ihrer Ausrüstung Platz haben. Das Ding wird mit einem Ruder am Bug gesteuert, was eine enorme Manövrierfähigkeit zur Folge hat. Der Steuermann muss allerdings schon standfest sein, um nicht bei jeder Welle über Bord zu fallen. Der  Tauchkompressor, der so wie die Lichtmaschine direkt an der Hauptmotor hängt, ist im hinteren Teil des Beibootes untergebracht. Die Jungs planen, diesmal ganz nah bei uns am Schiff mit ihrer Arbeit zu beginnen, sodass wir genau beobachten können, wie dies vonstatten geht. Nachdem es dunkel geworden ist, sehen wir, wie sie zum letzten Mal an ihren Zigaretten ziehen und ihre Dosen „Bird’s Nest“ austrinken, die mit halb vietnamesischen, halb englischen Texten bedruckt sind und ein gelbliches und süßliches, mit Feststoffen durchsetztes Getränk enthalten (wir hatten von ihnen eine Dose als Geschenk erhalten und es natürlich gleich probiert - gar nicht mal so schlecht, aber wir wollen nicht wissen, was da genau drinnen ist). 3 Mann ziehen sich lange Wäschen und Kopfhauben an, und gleiten leise vom Boot. Die restlichen Männer bleiben inzwischen an Bord, und überwachen den inzwischen unter Last knatternden Kompressor und die Lichtanlage. Wenn oben mal einer nicht aufpasst und die Maschine abstirbt, ist für die unten so ziemlich der Ofen aus – kein Licht, keine Luft zum Atmen. Die Taucher beginnen am Riff entlang zu Schwimmen und sammeln ihre Beute in Netztaschen, die sie am Gurt befestigt haben. Das Beiboot bewegt sich mit Ihnen fort und wir sehen zu, bis sich das kleine Blinklicht an Deck aus unseren Augen verliert.

Wir brechen auf, und haben uns dieses Mal ein etwas weiter entferntes Ziel vorgenommen. Das ziemlich im Südwesten von Alicia Annie liegende Commodore Reef. Wie üblich wollen wir an der Leeseite ankern (08°22.6N 115°10.18) und begeben uns über Nacht auf den 70-Meilen Schlag. Das Wetter meint es gut mit uns, allerdings kommt der Wind ziemlich von achtern und ist auch nicht sehr stark. Wir kommen so erst spät am nächsten Nachmittag an, und er Anker fällt auf etwa 12 Meter Tiefe auf Korallengrund. Unser Lot hinten zeigt gute 30 Meter an – wir haben also eine abfallenden Hang unter uns, der sich sicher gut betauchen lässt. Leider ist der Himmel mit Wolken bedeckt, aber wir lassen uns nicht abhalten und nehmen zur besseren Beleuchtung unsere Unterwasserlampen mit. Wir sind schließlich froh, dass wir uns noch aufgerafft haben, weil sich unter uns das bisher schönste Korallenriff auf unserer Reise ausbreitet. Bis in eine Tiefe von 40 Metern gibt es nur wenige unbewachsene Stellen, und die bewachsenen sind über und über mit Korallen verschiedenster Art bedeckt. Es gibt ganze Weichkorallenteppiche, und gleich daneben  steht ein Klotz aus Hirnkoralle, der mit etwa 15 Meter Durchmesser bei 8 Meter Höhe der Größte seiner Art ist, den wir bisher gesehen haben. Und so geht es fort. Wir sehen eine Unmenge an Fischen, ca. 1,30 m große Tunfische, die uns neugierig beäugen, eine Unmenge von Muränen, die geifernd ihren Kopf aus ihrem Versteck emporrecken, ca. 20 Drückerfische, die ihren trapezförmigen Körper schräg durchs Wasser schieben. Am nächsten Morgen ist uns die Glücksfee ein weiteres Mal hold und wir werden von 3 Mobulas neugierig umkreist, bis sie nach ein paar Minuten wieder das Weite suchen.

Taboo III – die schwimmende Reparaturwerkstatt

Den Tag über wird wie üblich gesegelt, und wir legen nach dem Frühstück mit Kurs Süd-Süd-West ab, um auf den 70- Meilen weiten Schlag zur Investigator Shoal zu gehen, die wir ja am Anfang unseres Törns schon mal in Angriff genommen hatten. Platt vor dem Wind müssen wir ständig darauf achten, keine Halse zu fahren, als uns plötzlich ein hässliches Geräusch an Deck aufhorchen lässt. Ein Blick auf den Kompass und schnell wird klar, wo das Problem liegt. Der Autopilot Marke Simrad steuert nicht mehr ordentlich. Schnell wird auch mir klar, wie essentiell die automatische Steuerung für ein Langfahrtschiff ist, als Wolfgang mich bittet, das Ruder zu übernehmen, damit er währenddessen die Reparatur in Angriff nehmen kann. Wir spannen noch das Sonnensegel auf, und es kann losgehen. Offenbar sitzt der Zahnriemen zu locker, der die Kraft des Steuermotors auf das Ruder überträgt, sodass er immer wieder durchrutscht. Nun ist es so, dass Wolfgang ein Bastler ist, der versucht, den Dingen auf seinem Schiff ein möglichst langes Leben angedeihen zu lassen. Daher wird zuerst zu Tape gegriffen, um die Spannrollen zu umwickeln und so deren Umfang zu vergrößern. Leider führt dies nicht zum gewünschten Erfolg, und die Arbeit wird durch den fummeligen Zusammenbau des Geräts nicht gerade erleichtert. Inzwischen hat es auch noch zu regnen begonnen, und die damit einhergehenden Böen machen das Rudergehen zur Aufmerksamkeitsprüfung. Ich schlage vor, doch die vorhandenen Ersatzteile zu verwenden, und die Steuerrollen samt der Justierplatte auszutauschen. Dies machen wir dann auch – inzwischen hat Wolfgang mich am Ruder abgelöst, und ich spiele mich mit dem kniffeligen Zusammenstecken der Teile. In der Zwischenzeit hatten wir herausfinden können, das die Steuerplatte am richtigen Ort angebracht sein muss, um die ordnungsgemäße Steuerung zu gewährleisten. Mit diesem Wissen probieren wir noch ein paar Justierungen aus und endlich, nach 3 Stunden, ertönt wieder das vertraute Knacken und das Schiff bleibt auch ohne Rudergänger auf Kurs.

Insgesamt ist es für mich erstaunlich zu sehen, was während einer relativ kurzen Reise auf einem Segelschiff alles kaputt gehen kann. Nun ist Taboo III kein neues Schiff mehr und hat schon fast ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel. Für Anna und mich war es aber doch etwas befremdend zu sehen, dass gleich am 2 Tag der Motor ein Problem hatte. Es trat Kühlwasser aus dem inneren Süßwasserkreislauf aus, was sich rasch in einer Überhitzung der Maschine bemerkbar gemacht hatte. Wolfgang aber kannte das Problem schon, weil dies ein Teil betraf, das er in alter Bastelmanier schon 3 Mal geflickt hatte: eine Metall-Knie, das an seinen Anschlussstellen mit anderen Metallen bzw. Legierungen in Berührung kommt und daher rechtb anfällig für Elektrolyse ist. Genau in der Biegung war das gute Stück also korrodiert. Und hier kam Wolfgangs Allround-Zaubermittel zum Einsatz: Steel-Epoxy, mit Metallstaub durchsetztes Epoxidharz, das weitaus höhere Festigkeit als normales Harz besitzt und auch unter hohen Temperaturen und Drücken funktioniert. Nach dem Auffüllen, Aushärten und erneuter Montage tut das Teil vorderhand wieder zufrieden stellend seinen Dienst.

Weitere Reparaturen betrafen den Tauchkompressor, die Ventile der Tauchflaschen und die Segellatten, die offenbar zu schwach ausgelegt sind und ständig brechen. Die derzeitige Segelgarnitur von Taboo III lässt überhaupt etwas zu wünschen übrig – der österreichische Hersteller hatte an diversen Stellen nicht optimales Material eingesetzt, das sich bereits nach kurzer Zeit unter tropischer Sonne aufzulösen beginnt. In Zukunft wird das Schiff wohl wieder Tuch von Lee aus Hong-Kong tragen ….

Während des Regens wurde das Deck wieder vom Meersalz befreit, außerdem konnten wir Wasser sammeln, und so kommen wir in neuem Glanz an der östlichen Seite der Investigator-Shoal an. Das Riff hat enorme Größe und dehnt sich über eine Länge von knapp 20 Meilen aus. Die westlichen und östlichen Teile sind Korallenfels, während der Rest ein etwa 7-15 Meter tiefer Rücken ist, der die flache Lagune umschließt. Wir fahren bei Hochwasser und im Vertrauen auf die Tiefenangaben aus der Karte und den geringen Tiefgang des Schiffes ein, und ankern auf etwa 5 Meter tiefen Sandgrund, der mit Korallen durchsetzt ist (8°07.6N 114°47.3E). Da wir erst spät am Nachmittag angekommen waren und sich ein Tauchgang nicht mehr ausgeht, schnorcheln wir. Die Korallenbestände hier sind in einem wirklich ausgezeichneten Zustand. Es gibt zuhauf Hirschkorallen, die zum Teil über 1.50 Meter lang sind, und kaum sichtbare Bleichschäden aufweisen. Andernorts treffen wird auf ausgedehnte Felder von Korallen, die wie Salatköpfe aussehen. Tellerkorallen in Tischgröße vervollständigen das Bild. Die Wassertemperatur scheint hier ein wenige niedriger zu sein, so dass die Unterwasserwälder in den vergangenen Jahren keinerlei Schäden davon getragen haben. Der nächste Morgen verläuft etwas enttäuschend, weil die Tauchgründe an den südseitigen Abhängen von ziemlichem Schwell überlaufen werden, und wir Sorge haben, wieder heil ins Schiff kommen zu können.

2 unterschiedliche Besuche

Wir beschließen, ans westliche Ende des Riffs in 20 Meilen Entfernung zu segeln, weil wir dort auf der Außenseite im Lee des Riffs ankern können. Als wir bereit sind abzulegen, kommt ein kleines Boot heran. Wie auf den anderen Riffen zuvor hatten wir auch dieses Mal Nachbarn, und zwar 2 große, im Vergleich relativ professionell aussehende Schiffe, die sogar Ladebäume an ihren Decks tragen. Hornissen gleich schwärmten über 7 Stück Beiboote am Morgen aus, um dem Fischerei-Tagesgeschäft nachzugehen. All diese Boote sind mit nur 1 Person besetzt, sodass wir davon ausgehen, es hier nicht mit Vietnamesen zu tun zu haben. Tatsächlich stellt sich der Mann als aus Hongkong kommend vor. Er bietet uns Langusten an, die wir mit Freude entgegen nehmen. Zum Tausch bekommt er eine Tafel Schokolade und zwei Bier. Beide Seiten sind zufrieden, und er braust, man sehe und staune, mit seinem kleinen Außenborder wieder davon.

Wir bewegen uns auch, allerdings nicht brausend und auch nicht rauschend, weil der Wind aus Osten kommt und so gar nicht auffrischen will. Mit müden 2-3 Knoten zuckeln wir quer über die etwa 5 Meilen breite Lagune. An Deck ist es siedend heiß, und wir beschließen, unser Mittagessen im Salon einzunehmen. Wir lassen uns die von Wolfgang köstlich zubereiteten Spezialburger schmecken, als plötzlich weiterer Besuch vor der Haustür steht. Diesmal allerdings in Form eines höchstmodernen Schiffes der malaysischen Navy. Offenbar gehörten sie zu der neu aufgebauten Festung etwa 3 Meilen querab von uns. Die wir später erfuhren, gehört die Investigator Shoal wie das Swallow Reef, in Tauchkreisen besser bekannt unter Layang-Layang zu so genannten „Restricted Areas“, das heißt ohne schriftliche Erlaubnis (Permit) darf man nicht hin, und die kriegt man natürlich nicht. Jedenfalls kommt das Marineschiff mehr oder weniger längsseits und es beginnt ein Palaver eingeleitet mit der Frage, ob wir ein Problem hätten. Wir haben natürlich kein Problem, aber die geringe Schiffsgeschwindigkeit von Taboo III hat sie wohl etwas irritiert, was auch nicht weiter verwundert, wenn man sich den aufheulenden Motor ihres Schiffes anhört und die weißen Strudel an seinem Heck ansieht, wenn sie ein bisschen Gas geben. Auf dem Schiff der Malaysier befinden sich etwa 8 Männer: die meisten in dunkelblauen Overalls, einer im Tarnanzug, der Captain und Anführer im T-Shirt. Das Geschrei von Bord zu Bord wird Ihnen zu mühsam, und sie bedeuten Wolfgang, dass er übersteigen möge. Ihm wird ganz bange, als die ihr riesiges Metallschiff nah heranbringen, und er sagt ihnen, dass er zuerst das Beiboot zu Wasser liesse und von dort aus zu Ihnen komme. Während ich das Dinghy ans Heck verbringe, springt Wolfgang nochmals schnell in seine Kajüte, um seinen Pass zu holen, hauptsächlich aber, um sein automatisches Gewehr der Marke M16 zu verstecken, dass er sich bei den ersten Begegnungen mit den Fischerbooten vorsorglich bereit gelegt hatte. Sollte man seitens der Marine-Soldaten auf die Idee kommen, Taboo III durchsuchen zu wollen, würde die Waffe die Sache zweifellos ordentlich verkomplizieren. Ich ziehe das Dinghy heran, Wolfgang springt hinein, ich lasse die Leine ausrauschen und der Kapitän des Kriegsschiffes bringt seinen Kahn heran. Allerdings nur so nahe, dass Wolfgang beim Sprung fast ins Wasser fällt, und ihn die Soldaten nur mit Mühe an Bord ziehen können. Das Schiff bleibt zurück, und Anna und ich fragen uns, ob wir wohl im Stande wären, Taboo III allein zu bewegen. Ich bin mir ziemlich sicher, das Schiff unter Segeln von A nach B bringen zu können, nur beim motoren gäbe es vielleicht Schwierigkeiten – ich habe keine Ahnung, ob man irgendwelche Treibstoffhähne öffnen muss oder sonstige Dinge zu beachten sind. Nun gut, in diesem Falle würden wir diese Möglichkeiten ja sicher nicht ausloten müssen. Die Diskussion an Bord der Stahlschiffes erstreckt sich jetzt schon über 20 Minuten, aber dann braust man wieder heran. Ich hatte in der Zwischenzeit die Leine des Dinghys verlängert, um so jede Schiffsberührung zu vermeiden. Wolfgang steigt wieder über, und die Jungs erlauben uns sogar noch, ein paar Fotos zu schießen. Nachdem wohl alles geklärt ist, können einige nicht an sich halten und werfen Anna hinter meinem Rücken Kusshände zu, wie sie mir später erzählt. Das Schiff braust zur Festung zurück.

Wolfgang rinnt der Schweiß in Bächen vom Körper, da es wohl in der Kajüte des grau gestrichenen Schiffs unglaublich heiß gewesen sei (einige der Burschen in den dunkenblauen Overalls hatten sogar noch Mützen auf dem Kopf, wie sie bei uns zum Schifahren verwendet werden). Mit der Zeit beruhigt er sich wieder, muss aber betrübt feststellen, dass dieses Riff ab sofort für ihn wohl auch „Taboo“ sei. Wir haben jedenfalls keinen weiteren Auflagen bekommen, nachdem man sich von unserer Harmlosigkeit überzeugt hat, und können wie geplant unsere Fahrt zur Westseite fortsetzen. Dort angekommen, ankern wir am südwestlichen Zipfel des Riffs bei 08°06.92N und 114°30.35E auf etwa 14 Meter Tiefe. Anna und mir will der flache Tauchplatz nicht recht gefallen, aber nach dem ausgefallenen Morgenabstieg lassen wir uns doch ins Wasser fallen. Der Platz hier ist nicht nur flach, sondern leider sind die Korallen auch ziemlich ausgebleicht. Ab etwa 30 Metern geht der Hang in eine recht annehmbare Steilwand über, die reichlich mit Gorgonien bewachsen ist. Die Sichtung einiger Napoleon-Fische und einer kleinen Schildkröte, die vor uns in ziemlichem Tempo flüchtet, mildern die Enttäuschung etwas. Wir lassen diese Stimmung aber nicht lange andauern und freuen uns auf die Langusten zum Abendessen.

An die Zubereitung der Krabbeltiere geht unser Skipper auch mit der ihm eigenen langejahren Erfahrung heran. Nach 15 Minuten im kochenden Wasser sind die beiden Langusten knallrot geworden, und Wolfgang knackt die Panzer einfach indem er mit dem Handballen draufdrückt. Zusammen mit ein paar Beilagen steht ein weiteres Mal ein ausgezeichnetes Abendessen auf dem Tisch, das wir mit Genuss vertilgen. Danach steht wieder Kartenspielen an Deck auf dem Programm. Leider werden wir diesmal unsanft gestört: durch den Windhauch kaum hörbar, hat sich das Patrouillenboot von heute ohne Beleuchtung an uns heranmanövriert uns richtet plötzlich seinen Suchscheinwerfer auf uns! Schwer begeistert von der abendlichen Ruhestörung packen wir unsere Karten zusammen und lassen das Dinghy zu Wasser, nachdem das Boot inzwischen auf Rufweiter herangekommen ist und man Wolfgang wieder zu sprechen wünscht. Also beginnt das Spielchen wieder von vorne, nur das er diesmal seine Karte mitnehmen muss. Ich gebe Leine und drüben angekommen fällt er beim Entern des Marinebootes fast ins Wasser, weil der Steuermann eine Sekunde zu früh auf Rückwärtsfahrt geht und sich von unserem Standpunkt entfernt. Wir beobachten die ganze Szenerie durch unsere Videokamera, mit der wir ziemlich heranzoomen können; zu erkennen ist allerdings nicht viel, weil sich alles im Inneren abspielt. Nach einer endlos langen halben Stunde kommt wieder Bewegung an Deck, Wolfgang springt ins Dinghy und nachdem er wieder halbnass, aber ansonsten OK bei uns an Bord ist, erzählt er uns die Neuigkeit: wir haben 2 Stunden um uns aus Gebiet zu entfernen – wir befänden uns im militärischen Sperrgebiet, und da fruchtet keine Diskutieren. Anscheinend hat die Heeresführung am Festland dies so angeordnet. Na bestens. Schweren Herzens machen wir uns also reiseklar. Wir entscheiden, die verbleibende Zeit auf den Mantananis zu verbringen, stecken den Kurs ab und kurz vor Ablauf des Ultimatums nehmen wir Fahrt auf in die stockdunkle südchinesische See.

Der Schlag über die 150 Meilen bringt „choppy seas“, wie Wolfgang zu sagen pflegt – wir müssen die ganze Zeit gegenan, haben viel spray an Deck und ungemütliches Gewackel die ganze Nacht über. Am Abend des nächsten Tages schließlich taucht die wundervolle Palmensilhouette auf. Die verbleibende Zeit verbringen wir mit Tauchen, relaxen, Dinghyfahren – ein Leben im Paradies. Wir unternehmen noch einen Versuch, von Fischern bzw. dem ortsansässigen Diveshop die Position der dortigen Wracks zu bekommen, müssen aber unverrichteter Dinge wieder von dannen ziehen. Bald lässt es sich nicht mehr verleugnen: der letzte Tag ist angebrochen, und wir treten die Nachtfahrt zurück nach Kota Kinabalu an. Wir werden zum Abschluss noch mit einer sternenklaren Vollmondnacht belohnt; während wir dahingleiten, überholen uns immer wieder große Schiffe, in Nähe der Küste bringt uns der nächtliche Landwind nach 10 Tagen auf offener See die Gerüche Borneos an Bord und verhilft uns zu einem weiteren Höhepunkt als Abschluss der Reise.

Die Einfahrt in Sutera Harbour ist unspektakulär – schweren Herzens packen wir unsere Siebensachen zusammen, verabschieden uns von Wolfgang und Familie, und ehe wir es uns versehen, sitzen wir nach ein paar abschließenden Stunden am Hotelpool schon wieder im Flieger nach Hause. Die Erinnerung an diesen unglaublich schönen und abwechslungsreichen Ausflug über insgesamt 750 Meilen ins südchinesische Meer wird uns noch lange erhalten bleiben, und wenn mich nicht alles täuscht, hat sich wohl neben der bestehenden Tauchinfektion auch der Segelvirus bei Anna und mir eingenistet …

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